Rundgang durch Halberstadt
Halberstadt ist eine alte Kulturstadt im Bundesland Sachsen-Anhalt (Deutschland). Die Kreisstadt des Landkreises Harz ist bekannt als "Tor zum Harz". Halberstadt liegt ca. 20 km nördlich des Harzes an der Holtemme und dem Goldbach. Im Norden der Stadt befindet sich der Höhenzug Huy und daran anschließend die Magdeburger Börde.
Halberstadt war im Jahre 1939 mit ca. 55.000 Einwohnern in Größe und Bedeutung der Stadt Hildesheim vergleichbar. Aufgrund seiner vielen imposanten Kirchenbauten und seiner interessanten und prächtigen Profanarchitektur zählte Halberstadt zu den schönsten Fachwerkstädten Nord- und Mitteldeutschlands. Halberstadt nannte man das "Rothenburg des Nordens". 766 Jahre nach der Zerstörung der Stadt durch Heinrich dem Löwen erfuhr diese durch einen Bombenangriff den wohl dramatischsten Eingriff in ihrer Geschichte. Dieser Eingriff wirkt mit seinen Spätfolgen noch heute nach und ist eine gesonderte Betrachtung wert.
Durch den verheerenden Bombenangriff vom 8.April 1945 wurde das gesamte alte Stadtzentrum und damit 676 historische Fachwerkhäuser völlig vernichtet.
1960 kam ich 15 Jahre nach diesem Bombenangriff im St.Salvator- Krankenhaus zur Welt. Eine tolle Kindheit erlebte ich in der Unterstadt von Halberstadt. Hier ging ich zur Schule und legte mein Abitur ab.
In den achtziger Jahren erfolgte ein großflächiger Abriss von alter Bausubstanz in Halberstadt. Viele mir aus der Kindheit gut bekannte Häuser und ganze Straßenviertel verschwanden so aus dem gewohnten Stadtbild. Dort wo Häuser standen, in denen früher meine Freunde wohnten oder wir gemeinsam auf Höfen spielten, entstand zunächst Brachland. Der Düsterngraben, die Trillgasse, Klein Blankenburg, der Johannesbrunnen, die Dominikanerstraße, die Woort, der Lichtengraben, die Gröperstraße, die Judenstraße und dazwischen Teilabrisse. Kurz um, es bleib beim Abriss kaum ein Auge trocken.
Die Ursachen für diese erneute "Schrumpfung" sind sicher vielschichtig zu betrachten. Eine Hauptursache dafür ist klar in Honeckers groß angelegtem Wohnungsbauprogramm zu sehen. Fachwerbauten befanden sich entweder in privater Hand oder wurden staatlich durch die Gebäudewirtschaft verwaltet. Den Privateigentümern fehlte für eine Instandhaltung schlicht das nötige Kapital oder Beziehungen um an dringend notwendiges Baumaterial zu gelangen. Aus staatlicher Sicht war kaum ein Interesse zu erkennen, diese Fachwerkbauten aufwendig zu erhalten bzw. aufwendig zu sanieren. Staatliche Priorität hatte in der sozialistischen Planwirtschaft der DDR eben zweifelsfrei der Plattenbau. Nebenbei war es für Bewohner dieser ruinierten Fachwerkhäuser auch nicht ganz unschick, in einen derartigen Plattenbau zu ziehen. Hier fand man eben gerade Wände, ein trockenes Dach, Fernwärme im Vergleich zur Ofenheizung, heile Fenster, ein eingebautes Bad mit WC...
Diese Tendenzen lösten aus meiner Sicht den bewusst verursachten flächigen Leerzug und die Preisgabe zum Verfall der verbliebenen Fachwerkbausubstanz in Halberstadt ein.
Der Vorkriegsbestand von 1.605 Fachwerkgrundstücken war nach der politischen Wende auf einen Rest von 447 geschrumpft. Die verbliebenen Gebäude befanden und befinden sich zum Teil auch heute noch in einem baufälligen oder unbewohnbaren Zustand.
Verschwundene Strassen
Verschwundene Straßen |
Bereits im Frühjahr 1990 wurde das so genannte Modellstadtprogramm der Bundesregierung ins Leben gerufen. Jeweils eine Stadt aus den neuen Bundesländern sollte die Chance erhalten modellhafte Stadtsanierung zu praktizieren. Im April 1990 entschieden sich die Regierungen der DDR und BRD, Halberstadt als Modell zur Stadterneuerung im künftigen Bundesland Sachsen-Anhalt zu bestimmen. Weitere Städte waren Meißen, Weimar, Brandenburg sowie Stralsund.
Die Revitalisierung der Altstadt hat über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung gefunden. Im Bundeswettbewerb mit 114 Teilnehmern "Erhaltung des historischen Stadtraumes in den neuen Ländern" errang Halberstadt eine Goldplakette.
1994 endete das Modellstadtprogramm. Halberstadt wurde in das klassische "Bund-Länder-Programm zur Stadterneuerung" und in das Programm "Städtebaulicher Denkmalschutz" aufgenommen. Dies allein brachte zwar einen Schwung, hat die Probleme der Stadt aber nicht gelöst. Erst seit 1998 hat Halberstadt wieder einen Statdtmittelpunkt oder eben Zentrum. Der geschaffene "Verkaufsmagnet" im Zentrum hinterließ seine Spuren besonders bei den in den Jahren nach der Wende in der Altstadt ansässig gewordenen kleinen Händlern und wirkte eher einer Revitalisierung der Altstadt erneut entgegen.
Heute ist Halberstadt noch die fünftgrößte Stadt Sachsen-Anhalts und größter Verkehrsknotenpunkt des Nordharzer Eisenbahnnetzes mit Verbindungen in Richtung Magdeburg, Halle (Saale), Vienenburg, Blankenburg (Harz) und Thale. Nach der Kreisgebietsreform und der Fusion der Landkreise Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode zum Harzkreis ist Halberstadt zur Kreisstadt geworden.