Der 8.April 1945- Seite 4
...und die ersten Tage nach dem Bombenangriff
Sofort nach der Besetzung der Stadt kam es an verschiedenen Stellen zu Übergriffen der sogenannten „Fremdarbeiter“, die sich von überall her das nahmen, was sie brauchten. Derartige Übergriffe gab es sicher nicht nur in Halberstadt. Auch im nahegelegenen Osterwieck wurde darüber berichtet. Die ehemaligen kriegsgefangenen Soldaten verhielten sich gegenüber der Bevölkerung sehr korrekt. Amerikanische Soldaten drangen in die Paulskirche ein und zerfetzen die in der dortigen Gedächtnishalle untergebrachten alten Regimentsfahnen Halberstädter Regimenter und entwendeten die Trompete von Vionville. Viele unsinnige Zerstörungen werden in der ruinierten Stadt durchgeführt. So wurden die Särge im Mausoleum in den Spiegelsbergen erbrochen und 10 Urnen der besten Freunde Gleims, die im Gleimgarten um das Grabmal des Dichters standen, in einen Teich der halberstädter Unterstadt geworfen. Jahre später hat man sie dort geborgen.
Die noch erhalten gebliebenen Schulen werden geplündert (Martineum, Lyzeum, Oberrealschule...). Vorratslager im ehemaligen Proviantamt, der Fa. Fricke in Wehrstedt und in der Schultheiß- Brauerei- Niederlage werden geplündert. Nazis, deren die Sieger habhaft wurden, mussten Leichen aus den Ruinen der Stadt bergen. Diese Tätigkeit dauerte bis zum 18. März 1946 an. Zur Verpflegung der Einwohner und der "Ausländer" hat man Lebensmittelrationen festgelegt.
Vom 11.04. bis zum 29.04 galten folgende Lebensmittelrationen täglich:
für Einheimische | für Ausländer | |
Wurst | - | 22 g |
Fleisch | 35,7 g | 100 g |
Fett | 18,8 g | 30 g |
Brot | 238 g | 300 g |
Nährmittel | 18,7 g | 25 g |
Zucker | 20 g | 32 g |
Marmelade | 35 g | 25 g |
Kaffee- Ersatz | 5 g | 10 g |
Quark | 5 g | - |
Käse | 5 g | 10 g |
Kartoffeln | 350 g | 400 g |
Auch am 11.04.1945 gab es die Proklamation Nr.1 des amerikanischen Oberbefehlshabers Eisenhower: "Wir kommen nach Deutschland als siegreiches Heer; nicht als Befreier!“ .
Durch amerikanische Truppen wurde am 11.04.1945 das KZ- Außenlager Langenstein- Zwieberge befreit.
Einige Fuhrwerksbesitzer fahren mit ihren Wagen Leichentransporte aus der Stadt zum Friedhof und bringen in Fässern Trinkwasser in die Stadt
Am 12.04. setzte die amerikanische Armee zur Freimachung der Straßen Bulldozer ein. In der Stadt gab es immer noch vereinzelte Brände. In der Zeit von 22.00 bis 05.00 Uhr gilt Ausgangsverbot. Die Bergung von Leichen aus den Trümmern beginnt nun in organisierter Form. Später werden ehemalige Nazi- Mitglieder hierfür eingesetzt, die vielen Leichen werden in Massengräbern am Nordende des Friedhofs beigesetzt.
Am 13.04. erfolgte ein Aufruf des OB der Stadt Mertens:
An meine lieben Halberstädter Volksgenossen! Über unsere Stadt, der ich mehr als 32 Jahre diene, ist durch die Zerstörung größter Teile furchtbares Leid gekommen. Wir, die wir noch am Leben sind, wollen zusammenhalten und arbeiten. Ich habe mich entschlossen, im Amt zu bleiben und Euch zu helfen, bis ein anderer an meine Stelle tritt. Meine Verwaltung kommt wieder in Gang. Sie ist im Landgerichtsgebäude in der Richard- Wagner- Straße untergebracht. Unsere Aufgabe ist zunächst: Die Gefallenen zu bergen und zu begraben. Für Gas, Wasser und Strom zu sorgen. Für die Verpflegung, für Ruhe und Ordnung und Gesunderhaltung zu sorgen. Die Straßen gang- und befahrbar zu machen. Helft mit! Nehmt, soweit möglich, die Arbeit sofort wieder auf! Verzagt nicht! Halberstadt, den 13.April 1945 Der Oberbürgermeister Gez. Mertens |
Kurze Zeit später wird OB Mertens von der Militärbehörde verhaftet und als OB abgelöst. In einer Rettungsaktion wird der Halberstädter Domschatz nach Quedlinburg überführt, dort eingemauert und entgeht so seinem möglichen Schicksaal als Beute- bzw. Diebesgut. Die Amerikaner blieben nur bis zum 18. Mai 1945 in Halberstadt. Danach rückten die Engländer ein. Ihnen folgten gemäß den Beschlüssen von Jalta am 1. Juli 1945 die Russen.