Der 8.April 1945- Seite 2
...und die ersten Tage nach dem Bombenangriff
Die Amerikaner zielten zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr nur auf militärische Objekte, sondern betrieben Flächenbombardements wie das britische Bomber Command, mit demselben Vernichtungsfuror, der die Wehrmacht noch bis in die allerletzte Kriegsphase V-Raketen auf Antwerpen feuerten und dort Tausende von Menschen ermorden ließ.
Fliegerangriffe hatte es bis zu diesem Zeitpunkt achtmal gegeben. Ihre Auswirkungen auf die Stadt waren jedoch nicht so gravierend. Die ersten Bomben fielen am 11. Januar 1944. Sie galten dem Bahnhof und den Junkers-Flugzeugwerken. Am 22. Februar 1944 erfolgte der zweite Angriff. Diese Bombenangriffe auf Halberstadt forderten jedoch insgesamt auch ca. 240 Menschenleben.
Das Bombardement der Junkers-Werke vom 30. Mai 1944 kostete 52 Menschen das Leben; darunter waren viele Zwangsarbeiter, hauptsächlich Italiener. Auch einer meiner Großväter er- und überlebte diesen Angriff als Arbeiter in den Junkers- Werken. Der Angriff vom 22. Februar 1945 verwüstete den Bahnhof. 172 Menschen kamen um, sehr viele davon in der später widererrichteten Wehrstedter Kirche. 15 kriegsgefangene Engländer und zwei Amerikaner, auf Transport ins Gefangenenlager Fallingbostel, starben zwischen Halberstadt und Wegeleben durch Bordwaffenbeschuss.
Am frühen Nachmittag des 7. April erschienen zunächst einige Jagdbomber über der Stadt. Sie warfen Stabbrandbomben ab. Ein größerer Schaden entstand dadurch in Halberstadt nicht. Im Bahnhof von Halberstadt wartete jedoch ein Munitionszug, beladen mit Seeminen. Die vorhandene Zugflak feuerte auf die Jagdbomber und zog sie dadurch an. Der Munitionszug geriet unter Feuerbeschuss und explodierte. In Folge dieser Explosion entstand im Gleisbett ein Krater in einer Länge von 280 Metern und 4 Meter Tiefe. Die ausgelöste Reihendetonation schleuderte die Waggonachsen über Hunderte von Metern.
Tage zuvor hatte im Rathaus von Halberstadt eine dramatische Besprechung stattgefunden. Der NS-Kreisleiter verlangte dabei die Verteidigung der Stadt. Der Oberbürgermeister lehnte ab, Halberstadts kulturhistorischer Bedeutung wegen und weil die Stadt angefüllt war mit Flüchtlingen und Verletzten. An die 70.000 Menschen barg die Stadt (bei 57.000 Einwohnern zu Kriegsbeginn), davon drei- bis viertausend Verwundete, verteilt auf 14 Lazarette. Die lokalen Wehrmachtgrößen sprangen dem Bürgermeister bei; ohnehin standen keine Truppen zur Verfügung. Die erregte Debatte endete mit einem Kompromiss. Der Volkssturm sollte täglich einberufen werden.
Bei Bedford in England sind die Fliegenden Festungen der 8. US-Luftflotte aufgestiegen, 218 an der Zahl, mit 550 Tonnen Bomben an Bord. Ihr Weg beträgt 850 Kilometer, die Flugzeit etwa zwei Stunden.
Südlich des Ruhrgebietes erreichen sie deutschen Luftraum und schwenken nahe Fulda auf Nordost, in Richtung Harz. Der Führungsbomber G-PFF-362 ist besetzt mit Pilot R.A. Vielle, Navigator C.E. Putt und Bombardier G.W. David. Ihr Einsatzprotokoll vermerkt als Primärziel Leopoldshall, das ist Staßfurt.